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KURZZUSAMMENFASSUNG DER BGH-ENTSCHEIDUNG

1. Covid-19-Pandemie bedingte Maßnahmen begründen keinen Mangel der Mietsache.

2. Eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage kommt grds. in Betracht, setzt aber unter anderem voraus, dass ein Festhalten am ursprünglich geschlossenen Vertrag für den Mieter unzumutbar ist.

3. Es gibt keinen allgemeinen Rechtssatz dergestalt, dass das Risiko der pandemiebedingten Gebrauchsbeschränkung zwischen den Mietvertragsparteien hälftig zu teilen und daher die Miete um 50% zu reduzieren ist. Für die Entscheidung des konkreten Falles sind vielmehr alle Umstände des Einzelfalles heranzuziehen.

4. Relevante Umstände sind unter anderem finanzielle Vorteile des Mieters wie z.B. staatliche Hilfen und Versicherungsleistungen.

DER FALL

Ein in Sachsen ansässiger Einzelhändler musste aufgrund behördlicher Verfügungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie vom 19. März 2020 bis 19. April 2020 schließen. Vermieter und Mieter stritten um die für die Monate März und April 2020 zu zahlende Miete, also um die Miete während der Zeit der Schließung. Die Vorinstanz OLG Dresden verneinte einen Mangel der Mietsache, bejahte aber eine Störung der Geschäftsgrundlage durch die Schließungsanordnung und kam ohne Betrachtung der konkreten Auswirkungen auf Vermieter- sowie Mieterseite zu einer Verringerung der Miete für die Zeit der Schließung um 50%. Dies basierte auf der Annahme, Pandemierisiken seien allgemein zwischen Vermieter und Mieter hälftig zu teilen, da keine Partei diese Risiken vorhergesehen noch die Eintrittsursache dafür gesetzt habe.

DIE ENTSCHEIDUNG DES BGH

Der BGH hob das Urteil des OLG Dresden auf und verwies zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück.

Ein Mangel der Mietsache liege durch die behördlich angeordnete Schließung, wie der BGH ausführlich begründet, nicht vor.

Es kommt aber eine Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht. Dabei bejaht der BGH, dass durch die Covid-19-Pandemie sich die Geschäftsgrundlage des Mietvertrags schwerwiegend geändert hat. Daraus ergibt sich jedoch nicht ohne Weiteres ein Anspruch auf Mietanpassung, sondern es ist weiterhin Voraussetzung, dass ein Festhalten am unveränderten Vertrag nach den Umständen des Einzelfalls nicht zugemutet werden kann. Hierbei kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass zumindest unter dem konkret abgeschlossenen Mietvertrag die Risiken der Covid-19-Pandemie mit der einhergehenden Beschränkung der Verwendung des Mietobjekts nicht einseitig dem Mieter auferlegt wurden, also grds. Raum für eine Mietanpassung besteht. Der BGH betont jedoch weiterhin, dass dennoch nicht jede einschneidende Veränderung eine Vertragspassung nach sich zieht, sondern ein Festhalten am Vertrag vielmehr zu nicht mehr tragbaren Ergebnissen führen muss, was eine Prüfung sämtlicher Umstände des Einzelfalles erfordert. Diese Prüfung hatte die Vorinstanz nicht durchgeführt, daher verwies der BGH zurück.

WICHTIGE PUNKTE DER ENTSCHEIDUNG

1. Die Verneinung eines Mangels der Mietsache ist keine Formalie, sondern durchaus von Relevanz. Läge ein Mietmangel vor, würde sich die weitere Prüfung im Wesentlichen darin erschöpfen, in welcher Höhe die Miete herabzusetzen wäre. Indem der Weg über die Störung der Geschäftsgrundlage beschritten wird, stellt der BGH mit dem Erfordernis der Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag eine hohe Hürde für Mietanpassungen auf.

2. Der Mieter trägt die Beweislast dafür, dass das Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar ist. Er muss konkret darlegen und beweisen, welche Nachteile ihm aus der Maßnahme (in diesem Fall aus der Betriebsschließung) entstanden sind, die ihm die vollständige Zahlung unzumutbar machen und auch, welche Anstrengungen unternommen wurden, die Verluste auszugleichen. Kosteneinsparungen, Versicherungen und staatliche Unterstützungsleistungen sind ebenso relevant, wie unterlassene Maßnahmen des Mieters, wenn sie den Verlust vermindert hätten.

3. Aufmerken lässt die Anmerkung des BGH, dass im Rahmen der Abwägung auch die Interessen des Vermieter in den Blick zu nehmen sind, ohne dass hierzu nähere Ausführungen gemacht werden. Offensichtlich ist es das Interesse des Vermieters, die Miete ungekürzt zu erhalten. Weiterhin relevant dürfte sein, dass der Vermieter regelmäßig aus der gezahlten Miete Darlehensverbindlichkeiten zu bedienen hat, deren Höhe durch die Covid-19-Pandemie nicht verringert werden.

AUSBLICK

Die Entscheidung des BGH ist gut nachvollziehbar begründet, gibt jedoch den betroffenen Parteien sowie den Instanzgerichten nicht den ggf. erhofften allgemeingültigen Maßstab an die Hand, mit dem sich alle Einzelfälle lösen lassen. In diese Richtung ging die auch von der Vorinstanz angewendete hälftige Teilung der Risiken. Der Fall des BGH betraf einen Einzelhändler und den Zeitraum der behördlich angeordneten Schließung der Geschäftsräume. Für einen Restaurantbetreiber und einen Zeitraum, in dem der Zugang zu dem Restaurant zwar grds. möglich, aber stark eingeschränkt war, werden die relevanten Einzelfallumstände ggf. völlig andere sein. Bei der erforderlichen Beurteilung des Einzelfalls wird weiterhin auch zu berücksichtigen sein, welche ggf. vergleichsweisen Regelungen zur Mietzahlung und Mietvertragsanpassungen die Vertragsparteien in der Zeit seit Beginn der Covid-19-Pandemie getroffen haben, da sich dadurch die Wertungen im Rahmen der Prüfung der Tatbestandsmerkmale des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ggf. erheblich verschieben. Das Thema der Mietanpassungen aufgrund der Covid-19-Pandemie wird somit voraussichtlich Mietvertragsparteien und Gerichte noch einige Zeit beschäftigen.

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